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Die elsässische Gemeinde Neuwiller hat zwei Probleme. Es sind dies Chrom VI und Chloridazon. Dummerweise im Trinkwasser. Deshalb schrieb bereits im August 2019 der damalige Bürgermeister Alain Escalin an die Einwohnerinnen und Einwohner, die regionale Gesundheitsbehörde habe mitgeteilt, dass die gemessenen Werte über den neu zugelassenen Werten der Gesundheitsvorschriften lägen.
Das Wasser aus der Leitung darf inzwischen weder als Trink- noch als Kochwasser benutzt werden. Weiterhin darf man damit die Pflanzen giessen, duschen, das Geschirr spülen oder das Auto waschen. Jean-Marie Vinolo aus Neuwiller hält sich strikt daran. Das wirkt sich direkt auf sein Portemonnaie aus. Hatte der 72-Jährige bisher aus dem Hahn Wasser zum Preis von jährlich 301 Euro konsumiert, belief sich die Rechnung für extra gekauftes Mineralwasser im Jahr 2021 auf 377 Euro. «Unser Trinkwasser war wirklich gut», sagt er, «es hat einen angenehm neutralen Geschmack.»
Das Problem lösen soll der Gemeindeverband Saint-Louis Agglomération (SLA), zuständig für den südöstlichen Teil des Elsass. Ihm gehören neben Neuwiller 39 weitere Gemeinden an. 2020 wurde der SLA von seiner Aufsichtsbehörde, der Agence Régionale de la Santé, darauf hingewiesen, dass im Wasser aus dem Bohrloch der Gemeinde Neuwiller das krebserregende Chrom VI nachgewiesen wurde. Somit vergingen zwischen dem Brief des Bürgermeisters und den ersten Massnahmen vonseiten des Verbandes doch einige Monate.
«Seitdem», so schreibt der Verband in einem Brief an die Einwohnerinnen und Einwohner von Neuwiller, «bemühte sich der SLA um die Wiederherstellung der Wasserqualität. Ein Projekt wird derzeit von unseren lokalen Abgeordneten genehmigt und soll im Laufe des Jahres 2022 umgesetzt werden.» Unterzeichnet haben den Brief im Januar 2022 SLA-Präsident Jean-Marc Deichtmann, sein Vize Thierry Litzler sowie Neuwillers heutiger Bürgermeister Carmelo Milintenda.
Aussehen dürfte diese Lösung so. Der Gemeindeverband Saint-Louis Agglomération lanciert «ein Projekt zur Verbindung mit den Trinkwasseranlagen der Gemeinden Buschwiller und Hegenheim, um die Wasserqualität dauerhaft und nachhaltig wiederherzustellen». Da werden also Leitungen gebaut. Das «Trinkwasser» ab Neuwiller-Quelle bleibt weiterhin tabu. Zwar seien die Möglichkeit einer Wasseraufbereitung untersucht worden, doch würden Techniken, die infrage kämen, schnell an ihre Grenzen stossen.
Bleibt die Frage, woher die Trinkwasserverunreinigungen stammen. Jean-Marie Vinolo hat da seine Vermutungen: «Chloridazon dürfte auf die Düngemittel zurückzuführen sein, welche die Bauern benutzten, um Futterrüben für ihre Kühe zu produzieren.» Allerdings würden seit 50 Jahren keine Futterrüben mehr angepflanzt. Heute würden die Bauern nebenbei noch etwas Mais und Weizen anbauen.
Das Chrom VI wird in der Metalltechnik verwendet. «Ausser der Firma Wissler, die auf Kunststoffe spezialisiert ist, hatten wir nie eine Fabrik in Neuwiller», sagt Vinolo. Deshalb könne es eigentlich nur aus der ehemaligen Deponie Roemisloch stammen. Dort luden Syngenta, BASF und Novartis beziehungsweise deren Vorgängerinnen in den 1950er- und 1960er-Jahren Chemiemüll ab. Seit 2012 gilt sie als saniert.
Die GI DRB, ein Zusammenschluss von Vertretern von Syngenta, BASF und Novartis, widerspricht Jean-Marie Vinolo. Auf Anfrage antwortet sie schriftlich, sie sei von den französischen Behörden informiert worden, dass in Neuwillers Trinkwasserbrunnen die Substanz Chrom gefunden worden sei. Die GI DRB habe in Abstimmung mit den Behörden im Grundwasser bei der ehemaligen Deponie Roemisloch Messungen durchführen lassen. «Im Rahmen dieser Messungen konnte keine Belastung durch Chrom nachgewiesen werden.»
Auch liege die ehemalige Deponie Roemisloch ausserhalb des Grundwasser-Nutzungsperimeters des offiziellen Trinkwasserbrunnens AEP Neuwiller. «Eine Belastung des Trinkwassers durch die ehemalige Deponie Roemisloch ist damit auch physikalisch auszuschliessen.»
Kommt noch die Frage auf, ob im Trinkwasser von Neuwiller das krebserregende Benzidin nachgewiesen werden konnte. Die Nachbargemeinde Allschwil will es unterhalb der ehemaligen Deponie nachgewiesen haben. Dazu sagt Mathieu Isatelle, Vizedirektor des SLA, die Suche nach dem Molekül Benzidin werde tatsächlich in die Analysen einbezogen. Dieses sei aber nicht vorhanden. «Ausser Chrom VI und Chloridazon wurden keine weiteren Moleküle im Wasser von Neuwiller nachgewiesen», so Isatelle.
Und Jean-Marie Vinolo? Er wird wohl noch einige Flaschen Mineralwasser kaufen müssen.
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